Kolumne: Alle Jahre wieder… (Wolfgang Binder)

Dominik Köhler

Wolfgang Binder, Fachgruppenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft, Wirtschaftskammer Wien ©Wolfgang Binder

…kommen die „Hüter und Ritter der Kokosnuss“, überprüfen den Schnitzelpreis-Index und stellen dabei fest: in Österreich ist das Schnitzel zu teuer!

Eine Studie wird aus der Schublade gezogen, natürlich EU-weit, die scheinbar besagt: Die Preise steigen in Österreich überdurchschnittlich. Ich frage mich nur, wo und mit wem hier verglichen wird? Mit dem Unternehmen am Wörthersee mit seiner Beach Bar, das sein Auskommen für das ganze Jahr in meist vier Monaten verdienen muss? Oder mit den Städten, denen derzeit die Gäste – vor allem aus dem Ausland – fehlen?

Wer jedoch mit offenen Augen durch die Welt fährt, wird feststellen, dass Essengehen in Österreich – im internationalen Vergleich – eigentlich preiswert ist. Der Preis eines 2 Gang Mittagsmenüs liegt beim Großteil der Kollegen unter € 10,— , und das bei durchaus sehr guter Qualität. Für mich stellt sich daher die Frage, ob die sogenannten Hüter überhaupt wissen, was in so einem (Produkt) Schnitzel, welches bei vielen meiner Kollegen auf den Teller kommt, enthalten ist. Anscheinend nicht, denn sonst würden sie nicht über zu hohe Preise diskutieren.
Gerne gebe ich den Hütern hiermit einen Überblick über jene Kriterien, die ein Gastronom bei einer kostendeckenden Preiskalkulation zu berücksichtigen hat:

Miete/Pacht, Betriebskosten wie zB. Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, Telefon, TV und Internet, AKM, Versicherung, Reinigungsmittel, Seife, Papier, Reinigung des Fettabscheiders, Geschirr und Gläser, Geschirrspülmittel, Servietten, Lebensmittel, Lieferung, Fahrzeug, Treibstoff, Personalkosten (immerhin zwischen 40 – 50 % bei jedem Produkt enthalten) Urlaube, Krankenstände, Werbung, Drucksorten, Post, Verwaltungsabgaben, Schulungskosten für das Personal, Gerätewartung, div. Gerätereparaturen und -instandhaltungen bzw. Neuanschaffungen, etc….
Dazu kommen noch die jährlichen Indexerhöhungen bei Lohnkosten, Bierpreisen, Energie und Treibstoff, Kommunalabgaben, Versicherungen, Miete/Pacht, uvm.

Mein Aufruf an alle meine Kollegen lautet: einmal nachrechnen, ob mit ihren Preisen auch tatsächlich kostendeckend gewirtschaftet werden kann. Denn eines ist klar, ein Einrichtungshaus hat andere Prioritäten als Speisen und Getränke zu verkaufen! Und eines hat uns die Krise gezeigt: nämlich, dass bei einigen Kollegen, die sich leider vor der Krise keine Rücklagen ansparen konnten (Neueröffnungen natürlich ausgenommen), die Kalkulation wahrscheinlich nicht gestimmt hat. Viele haben das erkannt und die Zeit genützt, manche werden es noch tun, einige werden es aber nicht überleben.

Doch das Schöne an Österreich ist, dass die heimische Gastronomie für jeden Geldbeutel etwas im Angebot hat. So sei allen Kritikern gesagt: es kann sich wirklich jeder Gast auch das für ihn budgetär passende Lokal aussuchen. Auch sei es mir erlaubt zu erwähnen, dass diejenigen, die sich über zu hohe Preise in der Gastronomie echauffieren, auch meist diejenigen sind, denen die Löhne und Gehälter in der Branche zu niedrig sind. Wenn 50 % der Kosten auf Lohn und Lohnnebenkosten entfallen, kann man sich sehr leicht die Erhöhungen einer Anpassung selbst errechnen.

Und übrigens: mit einer kollektivvertraglichen Entlohnung bekommt man heutzutage ohnehin keine guten Mitarbeiter mehr, da muss man schon einiges mehr beisteuern.

PS: Ich danke allen BranchenkollegInnen, die Tag für Tag mit ihrem Team ihren Gästen zur Verfügung stehen und unsere Gastfreundlichkeit und hohe Qualität in die Welt hinausbringen.

Euer
Wolfgang Binder