Alexandra Psichos im Gespräch: Was die Gastronomie jetzt braucht!

Andreas Lindorfer

Alexandra Psichos, Obfrau-Stellvertreterin der FG Wien der Kaffeehäuser ©Alexandra Psichos

Alexandra Psichos, Fachgruppenobmann Stellvertreterin der Wiener Kaffeehäuser und Initiatorin der Gastro-Aktion „5vor12“ im Gespräch mit Gastro News über die aktuelle Situation der Gastronomie, den kommenden Herbst und welche Maßnahmen es braucht um die Branche kurz- und langfristig nachhaltig zu unterstützen.

Gastro News: Frau Psichos, wie sieht aktuell die Situation für Wiener Gastronominnen und Gastronomen aus? Welches Feedback bekommen sie aus der Branche bzw. wie läuft der Sommer bis dato?
Alexandra Psichos: In erster Linie sind wir froh, wieder offen zu haben und arbeiten zu dürfen! Dennoch fehlt uns noch immer ein Großteil der Kunden im urbanen Raum. Durch den fehlenden Tourismus (dreiviertel aller Touristen fehlen), anhaltendem Homeoffice in vielen Branchen, Impfverweigerer und Testmüdigkeit bleiben viele unserer Gäste aus. Dazu kommt natürlich klassisch zu dieser Jahreszeit die Urlaubssaison. Viele Österreicher wollen jetzt ans Meer. Die großen Gewinner sind im Moment die Lokale mit großen Outdoorbereichen. Summa Summarum ist die Situation nicht einfach für unsere Branche, aber auch nicht hoffnungslos.

Gastro News: Wie wird sich ihrer Meinung nach die Situation im Herbst entwickeln und wie kann sich die Gastronomie darauf vorbereiten?
Alexandra Psichos: In Wahrheit ist die Ungewissheit groß! Wir werden sehr stark davon abhängig sein, was die Urlauber nach Hause bringen. Daher appelliere ich daran, dass sich alle Reisenden konsequent testen lassen. Werden die Geimpften die neuen „Superspreader“? Auch die neuen Varianten der Mutationen (Delta und Lamda) sind noch nicht einschätzbar. Meine Hoffnung besteht darin, dass wie bereits in anderen Ländern vorgemacht, die Maßnahmen in Zukunft, nicht mehr von den Inzidenzen abhängig gemacht werden, sondern von den Spitalszahlen. Vorbereiten kann sich unsere Branche nicht wirklich. Was wir bereits an Maßnahmen unternehmen, 3 G Regeln und Contactracing, aber vor allem Hygiene und vernünftige Abstände zwischen den Besuchergruppen, reicht aus meiner Sicht völlig aus. Das beweisen ja auch die Zahlen und Statistiken. In der „normalen“ Gastronomie/Kaffeehäusern/Heurigen etc. ist die Ansteckungsgefahr gegen Null. Schwieriger wird’s in der Nachtgastronomie. Ein konsequentes Einhalten der bisherigen Regeln in allen Betrieben ist wichtig. Ich appelliere daher an alle Kolleginnen und Kollegen, sich an die Maßnahmen zu halten und auch ihre Mitarbeiter zu unterweisen. Wenn wir die Vorgaben fair und solidarisch mittragen (auch wenn es für viele ein teurer und unangenehmer Mehraufwand ist), dann können wir weitere Schließungen im Herbst gemeinsam verhindern. Davon bin ich persönlich überzeugt.

Gastro News: Die ersten Betriebe stellen bereits freiwillig auf die 2G-Regel um. Sprich, Einlass nur wenn geimpft oder mittels PCR-Test getestet. Ein denkbarer Weg für die gesamte Gastronomie?
Alexandra Psichos: Ich sehe aus heutiger Sicht in der „normalen Gastronomie“ keine Notwendigkeit. Wer freiwillig strengere Einlass Regeln durchführen möchte, kann dies natürlich tun.

Gastro News: Welche Unterstützungsmaßnahmen braucht die Gastronomie bzw. was sind ihre kurz- bzw. langfristigen Forderungen  für die Branche?
Alexandra Psichos: Kurzfristig würde uns ein Revival eines „Gastro – Gutscheines“ helfen. Vielleicht auch in einer etwas evaluierten Form, sodass zum Beispiel die Abendlokale nicht durch den Rost fallen. Hier eine starken Impuls im Frühherbst von der Politik zu setzen, wäre eine große Hilfe. Förderungen von Beschäftigten (Lehrlinge und 50+) ist eine guten Idee, hilft den Betrieben aber nur wenn sie Mitarbeiter finden. Die sind leider sehr rar. Der Fachkräftemangel hat sich in der Pandemie leider massiv verschärft. Durch den langen Lockdown, hat man den Österreichern gelernt, dass ein Job in unserer Branche nicht krisensicher ist. Auch hier hat die Politik leider versagt. Mittelfristig muss die Mehrwertsteuersenkung noch bis Ende 2022 verlängert werden. Schließlich hatte die Branche fast sieben Monate zu und keinen Nutzen daraus. Langfristig brauchen wir eine massive Senkung der Lohnnebenkosten.

Gastro News: Wie lange dauert es ihrer Meinung nach bis sich die Branche wieder komplett erholt hat? Inwieweit spielt der nationale aber auch internationale Tourismus hier eine Rolle?
Alexandra Psichos: Schwer zu sagen, was die Zukunft mit dem Virus bringt? Würde jetzt kein Lockdown mehr kommen und keine schärferen Restriktionen, glaube ich dass wir finanziell gute drei Jahre brauchen werden um das Geschehene zu kompensieren. Trotzdem werden diese Krise nicht alle finanziell überleben. Eine Ausdünnung unsere Branche ist vorprogrammiert. Natürlich ist für uns alle der Tourismus ein Wirtschaftsmotor, auf den wir keines Falls verzichten können. Auch Betriebe die nicht direkt vom fehlenden Tourismus betroffen sind, profitieren von den Einnahmen, die die Stadt damit macht. Diese Gelder werden in die Infrastruktur der Stadt und ähnliches investiert. 

Gastro News: Das Thema „MitarbeiterInnen und Mitarbeiter“ entwickelt sich immer mehr zum Problemfeld. Viele Unternehmer klagen über massiven Fachkräftemangel, kaum jemand findet qualifizierte Köchinnen und Köche oder Servicekräfte. Auch Ausbildungsstätten der Gastronomie bzw. des Tourismus verzeichnen starken Rückgang von Interessentinnen und Interessenten. Auf was führen sie das zurück bzw. wie kann man diesem Umstand entgegenwirken?
Alexandra Psichos: Es wird an der Politik liegen, wie in Zukunft mit solchen Situationen umgegangen wird. Ob es tatsächlich notwendig ist immer alles zu schließen, bezweifle ich.  Es muss gelindere Mittel geben. Genau dazu haben wir ja eine Verfassungsklage eingebracht, die höchstwahrscheinlich im Herbst ein Urteil finden wird. Sollte unsere Klage positiv behandelt werden, wäre dies zukunftsweisend. Hierbei darf nicht nur darüber nachgedacht werden, in welchem Ausmaß sich der Finanzminister die Unterstützungen leisten kann, sondern weiter über die zweite und dritte Konsequenz! Wie zum Beispiel, dass den Menschen indirekt gelernt wird, dass unsere Branche nicht krisensicher ist. Wir waren die Ersten die schließen mussten und die Letzten die aufsperren durften. Das ist kein gutes Signal an zukünftige Lehrlinge und Co. Viele haben sich durch den langen Lockdown umschulen lassen und sind in anderen Branchen abgewandert. Diese Arbeitskräfte sind für uns unwiederbringlich. Auch hier wäre eine massive Senkung der Lohnnebenkosten ein hilfreiches Tool. Dann wäre die Branche in der Lage höhere Löhne zu zahlen und die Berufe wieder attraktiver zu machen. Mit freundlicheren Arbeitszeiten, können wir ja bekanntlich nicht dienen. Eine geistige Öffnung zum Thema flexible Arbeitszeiten, bei allen beteiligten (Gewerkschaft und Betrieben) wäre sicher auch für viele hilfreich. Stichwort 4 Tage Woche. Viele Mitarbeiter würden bevorzugen regelmäßig 4 Tage 12 Stunden zu arbeiten, dafür drei Tage frei zu haben. Wird nicht bei jedem Betrieb passen, ist aber eine  Überlegung wert. Generell müssen hier starre Konzepte abgeschafft werden.

Gastro News: Ein viel diskutiertes Thema ist die Impfpflicht für Berufsgruppen mit hohem Kunden-bzw. Gästekontakt. Wäre diese für sie denkbar?
Alexandra Psichos: Impfen, egal welcher Art, ist eine sehr persönliche Sache. Niemand sollte hier mit Gesetzen in den Körper unserer Bürger eingreifen. So etwas muss absolut freiwillig bleiben. Das Vorpreschen einiger Fachvertreter unserer Branche, mit der Aussage, das nur Gäste die geimpft sind, in Zukunft Eintritt haben sollen, ist ein absolutes no- go! Wir sind keine Vertreter der Ärztekammer. Private Meinungen haben hier nichts verloren! Unsere Branche hat nie Unterschiede bei den Gästen gemacht, alle waren herzlich willkommen. So soll es auch bleiben!

Gastro News: Besten Dank für das Gespräch!