Chris Yorke: Wir leben im besten Weintourismus-Land der Welt!

Fabio Ehlers

© ÖWM/Anna Stöcher

Im Interview mit Gastro News erzählt Chris Yorke, neuer Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing seit 2020, von nie da gewesenen Situationen, Österreichs Position im weltweiten Weinhandel & Weintourismus und warum ausgerechnet er keinen Lieblingswein hat.

Chris Yorke kann auf eine bewegte Karriere mit zahlreichen Stationen zurückblicken. Der gebürtige Brite konnte spätestens mit seiner 18-jährigen Tätigkeit in Neuseeland, unter anderem als Globaler Marketing Direktor der New Zealand Winegrowers von 2004 bis 2019, umfassende Erfahrung auf seinem Spezialgebiet am anderen Ende der Welt sammeln. Seit 2020 ist Yorke Geschäftsführer Österreich Wein Marketing GmbH (ÖWM). Gastro News hat sich mit dem Wein-Experten zum Gespräch getroffen, um mehr über das Geschäft im Jahr 2021 zu erfahren.

Gastro News: Welche Herausforderungen haben sich durch die so noch nie da gewesene Situation für das Unternehmen und Sie als neuer Geschäftsführer ergeben?
Yorke:
Als neuer Geschäftsführer habe ich 2020 natürlich mit vielen Ideen und Plänen im Kopf begonnen, doch alles kam bekanntlich anders. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir unsere Strategie am Heimmarkt sowie international vollkommen neu überdenken. Wir konnten keine Veranstaltungen in gewohnter Form abhalten, die VieVinum musste sogar zweimal verschoben werden. Zusätzlich war die Gastronomie für insgesamt neun Monate geschlossen, das ist eigentlich unvorstellbar. Dieser Kanal ist äußerst wichtig für unsere Winzer, immerhin wird über die Hälfte des Weins in Österreich über die Gastronomie abgesetzt. Unser Ziel war es daher, immer jene Absatzkanäle zu pushen, die gerade offen waren – national und international. Das haben wir unter anderem mit vier Kampagnen im Inland und ganz neuen Online-Veranstaltungen rund um die Welt getan.

Gastro News: Welche Meilensteine wurden im Jahr 2020/2021 im Unternehmen ÖWM erreicht? Gab es trotz Corona auch nennenswerte positive Entwicklungen?
Yorke: 
Was wir seit März 2020 an digitaler Kompetenz und an neuen Veranstaltungsformaten dazugewonnen haben, hätte ohne Corona vermutlich um einiges länger gedauert. „Not macht erfinderisch“, sagt man ja oft, und in diesem Sinne waren wir im vergangenen Jahr wirklich sehr kreativ. Besonders freut uns, dass unsere Weinexporte 2020 trotz der globalen Pandemie zulegen konnten: Die Menge stieg auf 67,6 Mio. Liter (+6,7 %), der Umsatz auf den neuen Höchstwert von 187 Mio. Euro (+2,4 %). Im internationalen Vergleich stehen wir damit sehr gut da, viele große Weinländer verzeichneten deutliche Einbrüche beim Export.

Gastro News: Welche Rolle spielt der österreichische Wein im Europaweiten Vergleich? Und wieweit reicht der Einfluss der ÖWM darauf?
Yorke:
Österreich ist – mengenmäßig gesehen – natürlich ein eher kleines Weinland. Rund 1 % der weltweiten Weinbaufläche steht in unserem Land. Aber die Qualitäten, die unsere Winzer produzieren, sind absolut herausragend! Und zwar in allen Preisklassen. Das wird auch international so gesehen und entsprechend honoriert: Beim Durchschnittspreis/Liter unter den wichtigsten Importländern liegt Österreich z. B. in Deutschland und der Schweiz auf Platz 2, in den USA auf Platz 4.

© ÖWM/Anna Stöcher

Gastro News: Welchen neuen Regionen, Gebieten oder Newcomern der Weinbranche sollten wir im Jahr 2021 besonders hohe Beachtung schenken?Yorke: Traditionell ist Österreich als Weißweinland (Grüner Veltliner, Riesling, Sauvignon Blanc etc.) bekannt, und das in aller Welt. Darüber hinaus hat die Qualität der Rotweine in den letzten Jahren ganz neue Höhen erreicht: Aus Zweigelt, Blaufränkisch und Sankt Laurent entstehen international unvergleichbare Rotweine. Generell sind die autochthonen Rebsorten Österreichs eine wahre Schatztruhe für Weinliebhaber. Zusätzlich erzeugen unsere Winzer auch Schaum- und Süßweine von Spitzenniveau. Jedes Weinbaugebiet hat seinen eigenen Stil und seine eigenen Spezialitäten. Diese werden über das DAC-Herkunftssystem gesetzlich geschützt. Der frische und elegante Stil unserer Weine macht sie zu hervorragenden Speisenbegleitern vieler Küchen aus aller Welt. Und sehr wichtig: Unsere Winzer arbeiten mit großem Respekt vor der Natur! Bereits 16 % der Weinbaufläche werden biologisch bewirtschaftet, ein Fünftel davon biodynamisch; und über 15 % nach den Vorgaben der „Nachhaltig Austria“-Zertifizierung.

Gastro News: Wie hat sich der Wiener Wein-Export im vergangenen Jahr entwickelt und wie steht es mit einer Prognose dahingehend für das Jahr 2022?
Yorke:
Über den Wiener Wein-Export liegen uns keine gesonderten Zahlen vor. Insgesamt konnten Österreichs Weinexporte wie bereits erwähnt 2020 erneut zulegen – und das entgegen allen Erwartungen. Die Menge stieg auf 67,6 Mio. Liter (+6,7 %), der Umsatz auf den neuen Höchstwert von 187 Mio. Euro. Neben dem Hauptexportmarkt Deutschland zeigten auch die weiteren Kernmärkte Schweiz und Niederlande nach oben. Während die USA und Asien rückläufig waren, verzeichneten die Monopolmärkte Skandinavien und Kanada besonders hohe Zuwächse. Für eine 2022er-Prognose ist es noch zu früh. Wir bemerken aber bisher, dass die Wiederöffnung der internationalen Gastronomie unseren Exporten guttut, vor allem in Bezug auf den Exportwert.

Gastro News: Wie steht es im Sommer 2021 um den österreichischen Weintourismus und welchen monetären Beitrag zur touristischen Wertschöpfungskette trägt dieser?
Yorke:
 Grundsätzlich hat der Weintourismus in Österreich sehr viel Potenzial. Für mich ist Österreich das beste Weintourismus-Land der Welt: Die meisten Weinbaugebiete sind von Wien aus innerhalb einer Stunde erreichbar, und Wien selbst hat auch großartige Winzer und Weine. In den Gebieten gibt es Angebote für alle Urlaubsvorlieben: ob Sport-, Natur- oder Kulturinteressierte oder auch Familienurlauber. 2020 haben wir die bisher größte Weintourismuskampagne der ÖWM gestartet: Seither findet man unter aufzumwein.at alle weintouristischen Angebote Österreichs! Das Thema ist auch deshalb so interessant, weil Weintouristen im Schnitt 50 % mehr ausgeben als der durchschnittliche Urlauber. Und die Wertschöpfung geschieht direkt in den Gebieten, bei den Winzern und Wirten vor Ort.

Gastro News: Wann haben Sie die Leidenschaft zum Wein für sich entdeckt? Und welchen Wein würden Sie unseren Gastro News-Lesern aktuell empfehlen?
Yorke:
Ich war immer schon ein interessierter und passionierter Weingenießer. Spätestens bei meinem Job in Neuseeland bin ich dann natürlich noch tiefer in das Thema eingetaucht. Österreichs Weinvielfalt ist viel zu groß, als dass ich einen einzelnen Wein hervorheben könnte. Ich kann nur empfehlen, dem persönlichen Geschmack zu folgen und die faszinierende Welt des österreichischen Weins Schritt für Schritt zu entdecken. Ganz besonders gut geht das bei unseren Wirten, die meist ein tolles Angebot an heimischen Weinen haben – auch glasweise!

Gastro News: Danke für das Gespräch!