Wolfgang Kleemann: Es ist verstanden, die Gastronomie muss aufsperren!

Dominik Köhler

Wolfgang Kleemann, Generaldirektor der Österreichischen Tourismusbank © Alex Halada

Im Interview mit Gastro News erzählt der Generaldirektor der ÖHT, Wolfgang Kleemann von seiner Ausbildung zum Koch und Kellner, einer Nacht und Nebel Aktion und von neuen Förderprodukten für die heimische Gastronomie.

Wolfgang Kleemann, der Generaldirektor der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (kurz ÖHT) ist tief mit der österreichischen Gastronomie und Hotellerie verbunden. In den Branchen bekannt wie ein „bunter Hund“, setzt er sich täglich für das Wohl derselbigen ein. Im Interview mit Gastro News stellt Kleemann klar, warum die Tourismus- und Freizeitwirtschaft gerade jetzt alles richtig macht und bricht mithilfe von Zahlen mit dem Irrglauben, dass das Jahr 2020 ein Jahr des Stillstands gewesen wäre.

Gastro News: Sie sind langjähriger Generaldirektor der ÖHT. Traum oder Zufall?
Kleemann: Ein bisschen von beidem würde ich sagen. Denn eigentlich bin ich gelernter Koch und Kellner. Man kann sagen, ich habe die Gastronomie von der Pieke auf gelernt. In meinem beruflichen Werdegang war ich als Geschäftsführer in diversen Betrieben tätig, lange mit einem eigenen Hotel selbständig und habe die Branche aus erster Hand erfahren. Aber ich wollte studieren. Als einer der Ersten habe ich damals das Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem des Fremdenverkehrs verbunden. Der Weg zur ÖHT im Jahr 1983 war insofern eine logische Konsequenz.

Gastro News: 38 Jahre später, im Jahr 2021, tragen Sie als Generaldirektor die Verantwortung über das Unternehmen. Wie haben Sie den Ausbruch der Corona Krise erlebt und was bedeutete dieser für die ÖHT?
Kleemann: Für mich hat das Krisenjahr 2020 am 13. März begonnen. Ich erinnere mich noch genau. Damals saß ich im Büro der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Elisabeth Köstinger. Wir haben unser Gespräch kurz unterbrochen, um einer Pressekonferenz von Margarete Schramböck zuzuhören, die damals spontan 10 Mio. Euro Überbrückungsfinanzierung für die Wirtschaft ankündigte. Ich habe mich zur Elli gedreht und gemeint, dass das gesamte restliche Haftungs-Budget der ÖHT 100 Mio. Euro betrage. Und weiter, dass wir das in die Hand nehmen, um damit den Tourismus zu unterstützen. Das war der Beginn der Überbrückungshaftungen. Die 100 Mio. Euro waren in 14 Werktagen aufgebraucht.

Gastro News: Seitdem ist knapp ein Jahr vergangen. Wie ging es mit der finanziellen Unterstützung weiter?
Kleemann: Bis heute haben wir 1,2 Mrd. Euro unter diesem Titel vergeben. Eine unglaubliche Summe, mit der wir viele Existenzen retten konnten. Das war ein Weichensteller. Denn ich spreche nicht nur von beruflichen Existenzen. Der österreichische Tourismus und alle Branchen, die damit einhergehen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus Menschen bestehen. Menschen die in den Betrieben wohnen und mit den Betrieben verwurzelt sind.

Gastro News: Wie hat sich die Arbeitslage der ÖHT im Zuge des vergangenen Jahres entwickelt?
Kleemann: Das ist spannend. Wir haben im Jahr 2020 rund 8.500 Covid-Förderungen abgewickelt. Zum Vergleich: Normalerweise haben wir pro Jahr in etwa 700 bis 800 Förderfälle. Das ist eine, auch für uns, neue Dimension der Stressbewältigung gewesen. Aber wir haben es gerne gemacht, mit Leidenschaft und Herzblut für jede und jeden Einzelnen. Mein ganz großer Dank richtet sich daher noch einmal an unsere fantastischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne die eine erfolgreiche Bearbeitung derart vieler Anträge nicht möglich gewesen wäre. Es wurde Großartiges geleistet.

Gastro News: Wie konnten Sie diesen enormen Mehraufwand bewerkstelligen?
Kleemann: Natürlich haben wir zusätzliche Ressourcen gebraucht. Wir haben in einer Nacht und Nebel Aktion ein Büro in der Stadt angemietet. Und parallel dazu die besten Studentinnen und Studenten ins Boot geholt, die dann in einem zwei-tägigen Intensivkurs von zwei meiner besten Mitarbeiter als Tutoren eingeschult wurden. Die Zeit war ein wesentlicher Faktor, daher musste alles rasch gehen. Schon nach kurzer Zeit ist es uns gelungen, eine Durcharbeitungszeit von einem Werktag pro Antrag zu erreichen. Wir haben gezeigt, dass wir in einer Krisensituation alles tun, um der Branche zu helfen.

Gastro News: Wie ist es heute im März 2021, gibt es die externe Einrichtung noch?
Kleemann: Die Einrichtung gibt es noch, weil wir seither eine Vielzahl an neuen Förderprodukten entwickelt haben. Es geht nicht mehr darum die Krise zu bewältigen, wir müssen den Blick nach vorne richten.

Gastro News: Welche neuen Förderprodukte wurden entwickelt?
Kleemann: Wir haben beispielsweise eine Förderung für die Erweiterung, Verbesserung, oder Erneuerung von Gastgärten entwickelt. Der Bereich wird im Sommer 2021 ein wesentlicher Faktor für die heimische Gastronomie sein, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Es ist verstanden, dass die Gastronomie aufsperren muss, dabei ist der Außenbereich aus virologischer Sicht sicherer, als die Innenräume.

Gastro News: Welches Budget wurde für die Förderhilfen der Außenbereiche der Gastronomiebetriebe festgelegt und gibt es eine Deckelung?
Kleemann: Wir unterstützen die Vorhaben der Gastronomen mit bis zu 20 Prozent. Insgesamt haben wir dafür ein Budget von 10 Mio. Euro bei einer Deckelung von 200.000 Euro im Einzelfall. Damit kann man einiges bewegen. Und helfen, wo Hilfe benötigt wird. Wir rechnen damit, rund 1.200 Fälle zu fördern. Die Antragstellung ist ab April möglich; wir veröffentlichen den genauen Stichtag auf unserer Homepage und in den Sozialen Medien, sobald wir eine Freigabe der Richtlinie haben. Und die Aktion wird eben auch in dieser ausgelagerten Büroeinheit abgewickelt Damit schaffen wir den nötigen Abstand, den es im Moment auch am Arbeitsplatz braucht und sorgen für höchste Sicherheit für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Gastro News: Zu welchem Zeitpunkt halten Sie eine flächendeckende Wiedereröffnung der Gastronomie für realistisch?
Kleemann: Ich rechne mit keiner Öffnung vor Pfingsten. Ich halte es für vernünftig, ein paar Wochen länger geschlossen zu bleiben, um die heikle Phase des Aufsperrens sicherer und auch logistisch besser koordiniert zu gestalten. Die Gastronomen müssen ihre Betriebe von 0 auf 100 hochfahren. Daher ist es für alle ungemein wichtig, dass die wirtschaftlichen und logistischen Fragen im Vorfeld geklärt sind. Wir müssen vorher denken, organisieren, konzipieren und dann zügig arbeiten. Nicht umgekehrt.

Gastro News: Wie geht es den Vertreterinnen und Vertretern der Branche mit der Aussicht, noch so lange ihre Betriebe geschlossen halten zu müssen?
Kleemann: Die Branche ist stark und bekannt für ihren eisernen Willen. Und der ist auch im Jahr 2021 ungebrochen. Man bereitet sich vor. Arbeitet heute für morgen im Betrieb. Das ist was zählt. Mein Kerngeschäft ist die Investitionsförderung. Das touristische Rekordjahr in Österreich war 2019. Und es war auch für die ÖHT das stärkste Investitionsjahr, seit unserer Gründung im Jahr 1947. Das Erstaunliche ist, dass das Rekordjahr 2019 vom Jahr 2020 übertrumpft wurde. Und das in der Krise. In einer Zeit der Maßnahmen, Verordnungen und Lockdowns. Das zeigt, dass die Branche insgesamt sehr optimistisch in die Zukunft schaut. Die Verfügbarkeit von Professionisten ist heute besser als in der Hochkonjunktur, die Baukosten sind günstiger, die Förderintensitäten hoch und man hat keinen Umsatzverlust durch Sanierungsarbeiten, da die Betriebe ohnehin geschlossen sind. Wann also, wenn nicht jetzt an der Zukunft arbeiten. Das ist wichtig, um sich von den internationalen Konkurrenzmärkten abzusetzen und mit Qualität zu punkten.

Gastro News: Dazu braucht es Geld. Wie stehen Sie zu den finanziellen Unterstützungen, die der Staat für die Branchen bereitstellt?
Kleemann: Das ist einfach und rasch erklärt. Die finanzielle Unterstützung der Republik wirkt. Das muss gesagt sein. Kritik daran ist mir persönlich unverständlich, denn die Unterstützungsmaßnahmen und Förderungen haben den Betrieben nicht nur das Überleben gesichert, sie haben darüber hinaus zur Entwicklung dieser beigetragen. Wir müssen aufhören, die Rolle der Verzweifelten einzunehmen. Denn es liegt ein ganz spannender Weg vor uns, den wir gemeinsam gehen, wie wir es immer getan haben.

Gastro News: Danke für das Gespräch.