Hanni Rützler: Dorthin geht die Gastronomie

Alexander Winter

(c) Nicole Heiling

Die Kunst des Wahrsagens ist nach wie vor nur Märchengestalten und Scharlatanen vorenthalten. Um dennoch eine Einschätzung von Essenstrends und der Gastronomie Aprés-Corona zu bekommen, haben wir mit der Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin Hanni Rützler gesprochen.

Gastro News Wien: Kann die Gastronomie diese Situation als Chance nutzen?

Hanni Rützler: Ich würde nicht so weit gehen, die Krise als Chance zu bezeichnen. Diesen Schock muss man zuerst überwinden. Wir müssen Mut fassen und schauen, dass die eigene Kreativität und die eigenen Sehnsüchte wachgerüttelt werden.

Wie darf man das verstehen?

Gastronomen müssen sich jetzt die Frage stellen, warum sie überhaupt machen, was sie machen. Sie müssen herausfinden, was ihnen wichtig ist und zu ihnen passt. Jetzt herrscht Stillstand, aber wir wissen auch alle, dass es wieder weitergeht. Wie also kann ich mein Thema konsequenter umsetzen, zelebrieren und inszenieren?

Was schwebt Ihnen da vor?

Vielleicht ein Umbau, vielleicht doch eine konsequentere Umsetzung – ich kann die Chance nützen, mir in dieser Zeit neues Wissen anzueignen. Man kann sich auf die Suche nach regionalen Produzenten oder Spezialitäten machen oder das Profil vertiefen. Damit ist man nicht austauschbar. Zusammenfassend ist es wichtig, Kompetenzen und Fertigkeiten zu vertiefen und zu entwickeln. Damit schafft man leichter einen erfrischten Einstieg.

Wen wird es in der Gastronomie am härtesten treffen?

Ich bin keine Ökonomin, ich schaue mir also keine wirtschaftlichen Phänomene an. Ich schaue mir an, wie sich die Esskultur wandelt. Meiner Einschätzung nach wird der Kunde durch die Krise wieder eine höhere Wertschätzung für das Handwerk Kochen und ernstgemeinte Gastfreundschaft aufbringen. Wir schauen genauer hin, schmecken bewusster, unsere Sinne sind geschärft.

Zurück zum Ursprung?

Ja und nein, vor Corona haben wir viel von Technisierung gesprochen, jetzt haben wir sie rascher als erwartet – Stichwort Kommunikation, Bezahlung, Bestellung. Die persönlichen Begegnungen werden daher wieder mehr geschätzt. Elektronisches Zahlen wird aber State of the Art bleiben. Überall wo elektronische Unterstützung Sinn macht, wird sie sich etablieren. Aber die persönliche Begegnung in Wirts- oder Kaffeehäusern und dieses Alleinsein unter Leuten – das alles hat eine wahnsinnige Qualität, die uns abgeht.

Werden Lieferservices und Take Away Angebote auch nach Corona in diesem Umfang betrieben werden?

Momentan stellt sich die Frage, ob der Handel oder die Gastronomie das Rennen macht. Viele Gastronomen haben sich noch gar nicht überlegt, ob das ein Konzept wäre und ob es Sinn macht, Speisen auf diese Arten auch in Zukunft anzubieten – vielleicht auch offensiv Zielgruppen anzusprechen und Kooperationen zu suchen. In der Gastronomie gibt es so viele Einzelunternehmer, aber man muss ja nicht immer alles alleine machen. Bis der Tourismus wieder anspringt, muss die Gastronomie stark mit regionalen Partnern zusammenarbeiten und hier gemeinsam kreative, nachhaltige und damit zukunftsfitte Lösungen finden.