Ein langer Weg zurück: Egon Smeral über die Zukunft des Tourismus

Anna-Lena Seeber

„Wir brauchen hier jetzt einen langen Atem und großes Durchhaltevermögen", so der Experte. ©istock

Der Tourismusökonom- und Forscher Egon Smeral, Professor an der Privatuniversität MODUL University Vienna, über aktuelle Prognosen, die Auswirkungen auf die Wirtschaft und warum die Branche für den Weg zurück einen langen Atem brauchen wird.

Aktuelle Analysen von Experten gehen davon aus, dass die gegenwärtige Krise zumindest teilweise mit der Finanzkrise 2008/09 vergleichbar ist. Aber hat die Situation wirklich dieselben Auswirkungen auf die Wirtschaft? Nein, und wenn überhaupt, nur zu einem kleinen Teil, meint der Tourismusökonom Egon Smeral im Interview mit der APA.

Veränderte Erwartungshaltung

Der Experte erklärt im Detail: „Es wird übersehen, dass die COVID-19-Effekte durch den Aufschub von Entscheidungen nicht nur einen Nachfragestillstand und eine veränderte Erwartungshaltung von Konsumenten und Investoren auslösen, wir haben es hier zusätzlich mit einem dramatischen Angebotsschock zu tun, der nicht unterschätzt werden sollte. So stoppten viele Betriebsstilllegungen die Produktion in anderen Wirtschaftsbereichen, wodurch Lieferengpässe entstanden sind, die wiederum die Produktion beschränkten.“

Was diese Konsequenz für die Tourismusbranche bedeutet, schildert der Experte so: „Besonders stark sind die Tourismusbetriebe wie Hotels, Restaurants, Fluglinien, Reisebüros oder Reiseveranstalter von der COVID-19 Krise betroffen, da diese durch die Beschränkung der Reisefreiheit und der Mobilität der Bevölkerung sowie Zwangsschließungen praktisch über Nacht den gesamt Markt verloren haben.“

Nächtigungsrückgänge bis minus 50 Prozent in Österreich möglich

Für Österreich werden ab Ende April Ergebnisse vorliegen. Aktuelle EU-Erhebungen von Ende März deuten jedoch bereits jetzt darauf hin, dass bis Ende Juni riesige Umsatzrückgänge in der Hotellerie, bei Restaurants sowie Reisebüros und Reiseveranstaltern zu erwarten sind. „Diese Zahlen sprechen dafür, dass sie bereits zu Beginn der Krise stärker ausfallen als in der Rezession 2009. Insgesamt rechnen wir also damit, dass das Jahr 2020 als „touristisch verloren“ anzusehen ist.“ Konkret sind diese Zahlen durch Nächtigungsrückgänge in der Größenordnung von 30 bis 50 Prozent zu erwarten,“ erklärt der Tourismusexperte.

 Der schwierige Weg zurück

„Wir brauchen hier jetzt einen langen Atem und großes Durchhaltevermögen. Es wird nur Schritt für Schritt möglich sein, wieder in eine aktive Tourismuswirtschaft zurückzukehren, ein langsames Anpassen wird nötig sein.“ Bei 150 Millionen Nächtigungen in Österreich wird es nicht ausreichen, auf heimische Urlauber zu setzen, prognostiziert der Experte. „Auch wenn uns im Sommer Nachbarn aus Deutschland und Tschechien vielleicht besuchen können, kann der Rückgang nur längerfristig aufgeholt werden. Im Endeffekt kann jedoch die bereits mehrmals bewiesene Kreativität der österreichischen Touristiker dazu beitragen, das Aufholtempo deutlich zu steigern.“