Marko Locatin Trifft: Zum Schwarzen Kameel-Patron Peter Friese

Marko Locatin

Peter Friese Im Schwarzen Kameel, Bognergasse 7 @Alex Halada

2018 feierte die „Harry’s Bar von Wien“ ihren 400. Geburtstag. Peter Friese hat zu diesem Jubiläum groß umgebaut und erweitert. Doch der umtriebige Patron hegt schon wieder neue Pläne. Ein Gespräch über Tradition und Anstand, Wiener Schnitzel und Buchstabensuppe, sein altes Kameel und seine neue Bar. 

Es ist Mittagszeit und das Kameel brummt an diesem Dienstag – wie an jedem anderen Tag. Die Kellner, schon von Ferne an ihren weißen Sakkos erkennbar, schwirren wie fleißige Bienen durch den riesigen Gastgarten. Es herrscht ein durchgängiges kommen und gehen, sehen und gesehen werden. Seit dem großen Umbau 2018, anlässlich des 400-Jahre-Jubiläums, wurde aus Restaurant, Gastraum und Gastgarten ein großes Ganzes. Peter Friese, täglich im Geschäft, heute im grauen Nadelstreif,  wacht diskret über über seine „Harry’s Bar von Wien“ (© Christian Seiler: „Zum Schwarzen Kameel“ – Die Geschichte einer Institution). Der Patron, stets in Bewegung, entschuldigt sich mit einer kleinen Verbeugung für die Verspätung und bringt für Fotograf und Autor Cappuccino und Espresso. Auf höfliche Umgangsformen nämlich legt der „Gentleman alter Schule“ großen Wert, wie er ein wenig später mit leiser Stimme versichert.

Herr Friese, 2018 feierten sie 400 Jahre Schwarzes Kameel. Ist diese Historie eine Last oder mehr eine Varantwortung für sie?

Peter Friese: Weder noch. Es ist einfach eine schöne Geschichte. Wer hätte gedacht, dass wir hier einmal 400 Jahre unseres Bestehens feiern können!

„Gute Umgangsformen und Anstand sind mir wichtig“. © Alex Halada

Sie sind als Perfektionist bekannt und haben vergangenes Jahr groß umgebaut. Was war die Idee dahinter? 

Das wichtigste war mir die Öffnung vom Restaurant zum Gastraum. Denn im Restaurant fängst Du um 18 Uhr an und da sind vielleicht drei Tische besetzt. Das halte ich gar nicht aus. Wenn ich mit meiner Frau essen gehe und das Lokal ist leer, gehen wir erst gar nicht hinein. Es muss immer etwas los sein, ein gewisser Geräuschpegel herrschen. Durch den Umbau haben wir eine ganzheitliche Atmosphäre geschaffen, in der immer alles in Bewegung ist. Wir verkaufen ja Atmosphäre und Stimmung, mit Essen und Trinken als Beigaben.

Während unseres Gesprächs kommen immer wieder Damen und Herren an den Tisch, die den Chef unbedingt begrüßen wollen. Er hat, so scheint’s, für jeden ein Ohr und stets die richtigen Worte parat, worauf die Gäste gestärkt ihrem Plätzchen zustreben. Das Handy läutet in diesen 30 Minuten fünf Mal. Zwei Mal hebt er ab, wendet sich leicht zur Seite, bespricht das nötigste. Herr Friese entschuldigt sich für jede Unterbrechung, um sich einige Augenblicke später wieder ganz in unserer Gespräch zu vertiefen. 

Wir sind alle durch Geschmäcker der Kindheit geprägt. Wie war das bei ihnen?

Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, die das Restaurant Sack gegenüber dem Ronacher hatten. Mein Großvater war großer Gastronom und Feinschmecker, unterwegs in Paris und London. In unserem Restaurant habe ich schon als Kind à la carte gegessen. Wenn ich einen Monat nur Steak essen wollte, dann bekam ich das auch. Als ich dann das erste Mal auf Schullandwoche gefahren bin, gab es eine Buchstabensuppe. Da war ich ganz begeistert (lacht). Vielleicht habe ich dadurch keine große Sehnsucht mehr nach Sterneküche. Ich schau mir aber gerne die Performance an.

Wohin gehen sie denn gerne essen?

Die Qual der Wahl: „Welches Brötchen hätten’S denn gern?“ © Alex Halada

Wir gehen selten wienerisch essen. Heute Abend sind wir beim Kiang am Servitenplatz. Gutes Essen, freundschaftliche Atmosphäre und du schaust auf die Servitenkirche (blickt kurz in die Ferne).

Welches ist ihr liebstes Gericht hier im Kameel?

Meist ess ich ja nur schnell im Stehen. Hier einen kleinen Leberkäse, da ein Brötchen, dort Stückchen vom Beinschinken.  Manchmal darf’s auch ein Schnitzel sein.

Ein gutes Schnitzel ist ja schon höhere Kochkunst, oder?

Kunst würde ich nicht sagen, aber wir treiben hier einen beachtlichen Aufwand. Das beginnt mit dem Kalbsfilet. Dann mahlen wir für die Bröseln unser eigenes Brot. Als Fett nehmen wir Raps-Öl und geben einige Butterschmalzflocken bei. Das Öl verwenden wir höchstens für zwei Schnitzeln. Natürlich haben wir auch keine Fritteuse!

The famous Fingerfood-Schnitzerl vom Kalb © Alex Halada

Kochen sie auch selbst?

Ja, schon. So ein Mal pro Woche (lacht). Meine Lieblingsspeise sind derzeit Artischocken, die ich mir vom Karmelitermarkt hol. Die Zubereitung ist dabei ganz einfach. Äußere Blätter abzupfen, das Herz fein blättrig schneiden, in Zitronensaft einlegen. Mit Rucula, kleinen Paradeisern, Dijonsenf und Olivenöl servieren. Darauf kommt noch Schnittlauch. Ganz einfach, aber da steh ich eine dreiviertel Stunde in der Küche. Huhn im Ganzen liebe ich sehr. Dafür habe ich mir sogar einen eigenen Grill angeschafft.

Was sind ihre nächsten Pläne?

Innerhalb der nächsten Wochen wird in den Räumlichkeiten des ehemaligen Ai in der Seitzergasse die Bar Campari aufsperren, an der ich ein wenig beteiligt bin. Es wird eine Tagesbar nach italienischem Vorbild. Kein Restaurant, aber es wird etwas zu essen geben. Steinbutt, Wolfsbarsch, Bistecca Fiorentina, aber auch kleine Happen. Wie im Kameel kann man aber auch einfach auf einen Café oder ein Glas Wein vorbeischauen. Es soll ein genauso demokratisches Lokal wie das Kameel sein, wo der Industriekapitän neben der Verkäuferin sitzt. (Anm.: Der Espresso kostet im Kameel 2,90 Euro, der Hauswein Weiß/Rot: 3,60 Euro).

Hier knüpfen sie ja in gewisser Weise an die Wiener Kaffeehaus-Tradition an…

Das stimmt. Mit Restaurants kann man uns ja eigentlich nicht vergleichen. Eher mit einem Kaffeehaus, das auch von der bunten Mischung seiner Gäste lebt.

Tradition ist ihnen also wichtig? 

Tradition ja – aber es ändert sich auch permanent alles und darauf muss man reagieren. Wichtig sind mit auch korrekte Umgangsformen. Das mag antiquiert klingen, aber auch große internationale Firmen legen wieder vermehrt Wert auf Umgangsformen, auf Anstandsregeln. Das finde ich gut und richtig. Nachhaltigkeit ist uns ebenfalls ein großes Anliegen. Unsere Kühlungen und Belüftungen entsprechen dem neuesten Stand der Technik. Energie beziehen wir aus Wasserkraft. Das ist eine ständige Entwicklung und immer kommt ein neues Bausteinchen dazu. So alt wir hier vordergründig sind, so modern sind wir eigentlich im Hintergrund (blickt schon etwas besorgt auf seine Uhr).

Herr Friese, danke das schöne Schlusswort und das Gespräch!

Zum Schwarzen Kameel 

Bognergasse 5
1010 Wien

Täglich: 08.00 – 00.00 Uhr
Tel: +43 (1) 5338125

Internet: www.kameel.at