Herkunft egal!

Michaela Reisel

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Von Peter Dobcak

Große Aufregung herrscht quer durch alle Branchen und politische Lager, ob Flüchtlinge die eine Lehre absolvieren einen Aufenthaltstitel bekommen sollen oder nicht. Im ersten Moment scheint die Antwort klar: wenn sich ein Flüchtling durch das Erlernen eines Berufs proaktiv an seiner erfolgreichen Integration beteiligt, dann sollte ihm unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens das Aufenthaltsrecht gewährt werden. Abgesehen davon gibt es nicht umsonst eine Mangelberufsliste die zeigt, welche Branchen händeringend Mitarbeiter suchen. Dass die österreichische Wirtschaft mit einem veritablen Fachkräfte- und Lehrlingsmangel kämpft, ist wohl unumstritten. 

Trotzdem, wie heißt es auf Englisch: „Hold the horses!“ In einer von Emotionen dominierten Welt, gilt es zuallererst die Fakten zu prüfen. Diese lauten, ca. 800 Flüchtlinge ohne Status absolvieren derzeit eine Lehre in Österreich. Dem stehen tausende arbeitslose Jugendliche gegenüber, Flüchtlinge mit Aufenthaltstitel sowie österreichische StaatsbürgerInnen. Wenn die Regierung daher trocken bemerkt, die Wirtschaft solle sich aus dem Pool der Arbeitslosen bedienen und die Suche nicht auf lernwillige Flüchtlinge ohne Status beschränken, scheint das logisch, greift allerdings weit zu kurz. Mit einer eher holprigen Pirouette zeiht die Koalition die Unternehmer einer gewissen Beschränktheit, oder meinen die Damen und Herren auf der Regierungsbank, dass wir genau das nicht seit Jahrzehnten versuchen? Begleitet wird die mühsame Suche nach Lehrlingen von immer lauteren Rufen diverser Wirtschaftsvertreter, dass der Hut lichterloh brennt und die Unternehmen dringend legislative Unterstützung zur Nachwuchssicherung benötigen.

Geschehen ist das Gegenteil, nämlich eine eklatante gesetzliche Benachteiligung der UnternehmerInnen durch völlig überzogene Auflagen, Bestimmungen und Belastungen. Auf der anderen Seite erfolgte eine massive Stärkung der Rechte von jungen Menschen, was auf manchen Gebieten auch dringend notwendig war, doch auch mit der Folge, dass Gewerkschaften und Parteien in der Hoffnung auf mehr Mitglieder und Wählerstimmen die Jugendlichen von klein auf ausschließlich auf ihre Rechte hingewiesen haben. Dass es auch Pflichten zu erfüllen gibt, um ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sein, wurde dabei leider vergessen. Dazu kommt in vielen Fällen das Delegieren der erzieherischen Verantwortung aus dem Elternhaus an die Schule oder den Betrieb. Leider hat der Gesetzgeber gleichzeitig die notwendigen Werkzeuge dafür massiv beschränkt. Mit den Konsequenzen müssen wir heute alle leben. 

Unser Land benötigt auf vielen Eben dringend eine Kurskorrektur. Die Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese notwendigen Reformen mit allen Schwierigkeiten und möglichen Irrwegen durchzuführen und damit auch eine klare Linie in der Flüchtlingsfrage samt Möglichkeiten zur erfolgreichen Integration vorzugeben. Aber noch viel mehr drängt es, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass es den Schulen und den Ausbildungsbetrieben ermöglicht wird, die jungen Menschen intellektuell und charakterlich auf ein späteres selbständiges Leben vorzubereiten.

Gefährlich für alle Beteiligten ist dabei der Glaube unbedingt studieren zu müssen. Jahrelang investiert der Staat in eine Ausbildung, die in vielen Fällen in einem fachlich fremden und dann erst recht unterbezahlten Job endet. Diese längst überfällige Bewusstseinsänderung, vor allem bei den Eltern, wäre die wichtigste Maßnahme der politisch Verantwortlichen um dem Fachkräftemangel erfolgreich zu begegnen.

 

Euer

Peter Dobcak