„Keep it Personal“ – 2. Event „Rising Spoon“

Manuel Schagginger

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Die Eventreihe „Rising Spoon“ hatte in Berlin ihren Anfang. Nach dem großen Erfolg fand „Rising Spoon“ Anfang Oktober seinen Weg auch nach Wien. Nach dem ersten Event im „Supersense“ – wir berichteten hier – wurde als Location für den zweiten Abend das „Hotel am Brillantengrund“ im 7. Wiener Gemeindebezirk gewählt. Unter dem Motto „Keep it Personal“ trafen sich Gastronomen mit Gastronomieinteressierten, um sich über ein in der Branche extrem wichtiges und interessantes Thema auszutauschen, dem Personal in der Gastronomie. Ich war gespannt, wie der Abend verlaufen würde, da ich selbst sieben Jahre lang als Kellner tätig gewesen war.

Rising Spoon versteht sich als Möglichkeit, ein Netzwerk der Gastro-Gründer- und Gastro-Interessierten-Szene zu bilden, kreative Menschen zu verbinden und sich von neuen Ideen inspirieren zu lassen. Als Speaker wurden eingeladen:

Eines möchte ich vorwegnehmen: der Abend verlief intensiv. Normalerweise würde ich jetzt versuchen, die drei RednerInnen genauer vorzustellen und darzulegen, was jedeR gesagt hat. Durch  plakativ-provokative Aussagen, die gefallen sind, haben sich allerdings schnell zwei eng zusammenhängende Themenschwerpunkte herauskristallisiert, denen im Laufe des Abends versucht wurde, auf den Grund zu gehen. Die Gedanken und Thesen der RednerInnen und DiskussionsteilnehmerInnen sollen nun anhand dieser zwei Themen dargestellt werden.

 

Erfahrene Gastronomen & diese, die in der Gastronomie anfangen (wollen)

Max Wernisch, Lehrer in der Gastgewerbefachschule am Judenplatz, leitete seinen Vortrag mit einer Erhebung ein, die von den Schülern durchgeführt wurde. Als Idee dahinter nannte er die Studie zur Arbeitszufriedenheit in der Tourismusbranche (Gastronomie & Hotellerie), die vom IFES durchgeführt wurde. Im Rahmen der Erhebung wurden 750 Personen, die in der Gastronomie arbeiten, gefragt, was sie von der Arbeit halten, wie es ihnen hier geht. Als besonders positiv wurden die Arbeitsplätze generell hervorgehoben sowie dass die Wertschätzung im Küchenbereich zu arbeiten hoch sei. Als weitere positive Ergebnisse fielen die Möglichkeit zur kreativen Entfaltung auf sowie die Möglichkeit, auch im Ausland zu arbeiten. Allerdings überwogen generell die negativen Bewertungen im Rahmen der Studie. So wurde von den Befragten die oftmals sehr kurzfristige Dienstplaneinteilung kritisiert. Als genauso negativ wurden die geringen bis nicht vorhandenen Möglichkeiten einer zusätzlichen Weiter- oder Ausbildung genannt.

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Die erste Diskussion begann beim dritten als negativ bewerteten Punkt: Der Umgangston der älteren KollegInnen, hier vorwiegend der GastronomInnen den jungen gegenüber, und die fehlende Anerkennung im Servicebereich gelten als besondere Probleme. Aus dem Plenum fielen Sätze wie „Ich habe noch unter einem richtigen Schleifer das Kochen gelernt. Wenn da in der Küche einmal nicht die Gabel geflogen ist, dann war das schon Lob genug.“. Immer weniger junge Leute, die in der Gastronomie arbeiten wollen, können mit einem etwas raueren Ton umgehen. „Mich erschreckt es immer wieder aufs neue, wenn 16-jährige GastronomieanfängerInnen von einer „Work-Life-Balance“ sprechen, die Motivation fehlt dadurch einfach vielen.“, so Wernisch. Die Frage, die sich daraus für alle TeilnehmerInnen stellte, war „Wie motiviere ich junge Leute, die in die Gastronomie gehen wollen – sei es als Koch oder Kellner?“ Motiviert sie das Geld? Motiviert sie die Möglichkeit, dass Arbeit für wenig Geld sprichwörtlich auch Türen öffnen und dass man wirklich die Chance bekommen kann, in einem renommierten Betrieb zu arbeiten? Man war sich grundsätzlich einig, dass etwa 95% derjenigen, die in der Gastronomie starten, sich wirklich nur am Geld orientieren. Nur die wenigsten „Gastro-Spinner“ – wie sie an dem Abend positiv gennant wurden – „schneiden ein Jahr lang im Nobelrestaurant Zwiebeln, damit ein Name mit gutem Ruf auf dem Lebenslauf steht und sich die Möglichkeit einer großen Gastro-Karriere entwickelt“. Von 300 SchülerInnen der Gastgewerbefachschule seien etwa 10 SchülerInnen die „küchenfokussierten Gastrospinner“. Einige DiskussionsteilnehmerInnen erwähnten, dass sie begannen, in der Gastronomie – „einem der wohl härtesten Arbeitsfelder“ – zu arbeiten, einfach weil sie es gerne taten. Die „Gastronomie ist schon eine Art Lebenseinstellung.“, das fehle vielen Jungen.

Küchen- & Servicepersonal

Ein weiterer negativ bewerteter Punkt der Erhebung war die zu steile Hierarchie, vor allem im Küchenbereich. Viele junge Leute geben an, dass potentielle Ideen von älteren Küchenchefs entweder abgeschmettert werden mit Sätzen wie „Das haben wir seit 20 Jahren schon anders gemacht, wir werden jetzt nicht damit anfangen“, oder dass erst gar nicht zugehört wird. Dieser Punkt hängt wiederum eng mit der fehlenden Motivation von Jungköchen und Jungköchinnen zusammen. In der Diskussionsrunde wurde konstatiert, dass gerade ein Generationswechsel stattfände. Jedoch solle man aufpassen, dass nicht eine ganze Generation von Betrieben ohne Personal dastehe, weil dieser Mangel an Motivation – so war aus dem Plenum zu hören – mit den oftmals fehlenden Führungsqualitäten älterer GastronomInnen zusammenhinge. Sogenannte „alteingesessene“ GastronomInnen können oder wollen unter Umständen keine Führungsqualitäten zeigen. Wernisch hielt ein Plädoyer für die Jugend: „Selbst wenn neun Ideen absolut schwachsinnig und nicht umsetzbar sein sollten, hört den Jungen zu, vielleicht ist die zehnte Idee ja sinnvoll“.

Die fehlende Motivation junger GastronomInnen zog sich wie ein roter Faden durch den Abend. Die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten, wurde grundsätzlich positiv bewertet, auch wenn dies den Betrieben auf den ersten Blick nichts bringen mag. Die ausgelernten jungen Menschen wollen weg aus Österreich, die Welt sehen und Erfahrungen im Ausland sammeln. Genau diese Erfahrungen sind es, die den heimischen Unternehmen auf den zweiten Blick dann doch zu Gute kommen würden. Eine der großen Fragen des Abends war, wie man jungen Leuten einen Job in der Gastronomie schmackhaft machen könne.

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Ein Punkt, der sicherlich eine Rolle spielt, ist das Stigma des Servicepersonals – „Da muss man nichts können, das geht ohnehin leicht“ hören viele DiskussionsteilnehmerInnen als Standardargument. Allerdings sind sich alle einig: die Arbeit in der Küche funktioniert nicht ohne das Service und umgekehrt. In der Küche kann immer etwas passieren, jedoch könne einE KellnerIn mit charmantem Auftreten und Witz etwaige Fehler kompensieren. Allerdings fällt auf, dass das Service bei den Gästen oftmals als „eher unwichtiger“ wahrgenommen wird.  Dazu kam aus dem Plenum die provokative Frage: „Versucht euch folgendes vorzustellen: man sitzt mit seiner Familie beim Essen in einem Restaurant. Der Sommelier kommt vorbei und öffnet eine Flasche Wein. Hat schon mal irgendjemand gesehen, dass ein Kind NICHT das Essen sondern den Sommelier mit dem Handy fotografiert?“. „Köche gelten neben Ärzten ohnehin als die „Götter in Weiß“, es passiert zu oft, dass das Servicepersonal außen vor gelassen wird“, so eine bewusst überspitzt formulierte Meinung aus dem Plenum.

Suche nach Arbeitszufriedenheit

Ein Gedanke eines neuen Weges zur Jobsuche stammte von Nicholas Scharmer, dem Head of Sales and Marketing des Karrierenetzwerkes für Hotellerie und Gastronomie Gronda. Die Jugend ist am einfachsten über Onlineplattformen wie Instagram oder Facebook zu erreichen. Sie lesen sich im Vorhinein Onlineberichte zur Arbeits(un)zufriedenheit in Betrieben durch und entscheiden aufgrund dieser Kritiken oftmals, ob sie sich überhaupt bewerben. Gronda versucht einen anderen Zugang zu wählen. Man muss sich nicht mehr direkt bewerben, sondern gibt stattdessen ein, wonach man sucht und bekommt regelmäßig über einen Algorithmus maßgeschneiderte Jobangebote. Weiters setzt sich Gronda zum Ziel, GastronomInnen weltweit miteinander zu vernetzen, damit diese inspiriert werden, Wissen austauschen sowie ihre Karriere auf das nächste Level bringen können. Man kann auch als gastronomieinteressierter Mensch von ExpertInnen wie Sommeliers, Sterneköchen oder Hotelbetreibern profitieren. Was als kleiner Blog begann, ist das größte Netzwerk speziell für Hotellerie und Gastronomie im deutschsprachigen Raum.

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Um einen Job in der Gastronomie – sei es nun in der Küche oder im Service – attraktiv zu finden, laufe es auf die „Arbeitgebermarke“ hinaus. Die Arbeitgebermarke ist die Antwort auf die Frage „Warum möchte ich gerade in DIESEM Betrieb arbeiten?“. Auch auf diesen Gedanken lassen sich die Ergebnisse der Erhebung anwenden. Eine gute Arbeitgebermarke kann einen Job durchaus schmackhaft machen. Hier stimmte auch Mag.a. Doris Palz zu, die das Unternehmen „Great Place to Work“ repräsentierte. „Great Place to Work“ versteht sich als Ort, der die Organisationsentwicklung und die Unternehmenskultur von Betrieben untersucht sowie im besten Fall auszeichnet. Es steht besonders das Vertrauen im Vordergrund. Man fühle sich an einem Arbeitsplatz besonders wohl, wenn die Beziehungen auf zwischenmenschlicher Ebene mit den KollegInnen und den Vorgesetzten stimmen. Die Wertschätzung muss vorhanden sein, das Arbeitsklima muss einfach stimmen. Mit MitarbeiterInnenbefragungen wird unter anderem die Arbeitszufriedenheit erhoben und messbar gemacht. „Great Place to Work“ unterstützt die Standortbestimmung von Betrieben, hilft Entwicklungspläne zu erstellen, hilft beim Austausch und führt anhand „Best Practise“-Beispielen auf, was einen Great Place to Work ausmacht.

Der spannende Abend wurde von der Sperrstunde des Hotelrestaurants zu einem Ende gebracht. Was bleibt, sind offene, aber extrem wichtige Fragen: Wie können junge Leute für die Arbeit in der Gastronomie begeistert werden? Wie können sie motiviert werden? Wie kann die Arbeitgebermarke verbessert werden? Wie kann man Führungsqualitäten halten oder verbessern? Viele Gedanken, die angesprochen und konkretisiert werden konnten, haben extrem viel Potential für weitere Diskussionen. Zusammenfassend kann man sagen: in der Gastronomie ist das Personal ein ausgesprochen heikles Thema. Es gibt viele Problemfelder die aufgearbeitet werden müssen, damit sowohl für ArbeitgeberInnen als auch ArbeitnehmerInnen (der Schwerpunkt dieses Abends war vorwiegend auf Küchen- und Servicepersonal gelegt) ein Konsens gefunden werden kann.

„Rising Spoon“ wird Ende Jänner 2018 wieder kommen. Wo das nächste Event statt findet und was das Thema sein wird, wurde noch nicht verraten. Ich freu mich schon drauf und bleibe dran.


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