Spanische Verführung im el Hans oder: Wo die Tigergarnele mit dem Ibérico tanzt

Michaela Reisel
Tigergarnelen aus Huelva (c) Michaela Landbauer

Tigergarnelen aus Huelva (c) Michaela Landbauer

Als Hans im Glück im Jahr 2013 eröffnet, bekam das spanische Lokal in der Schmelzgasse eineinhalb Jahre später seinen heutigen Namen verpasst: el Hans. Als dieses ist es in Kreisen von Genussliebhabern längst zu einer Must-visit-Adresse im zweiten Bezirk avanciert. Aufgetischt wird spanische Gourmetküche, traditionelle Gerichte erfahren eine zeitgenössische Interpretation. Der Fokus liegt auf Meeresfrüchten, Fisch und Fleisch. Am Tag des Besuchs ist der Gastgarten rappelvoll, man scheint also etwas sehr richtig zu machen.

Ich entscheide mich für ein Überraschungsdinner, denn ich bin gespannt, welche Speisen Küchenchef José Corpas präsentieren möchte. Da der Hunger nicht so groß ist, bitte ich um drei statt der fünf bzw. sieben Gänge, aus denen sich ein Degustationsmenü hier üblicherweise zusammensetzt. Ich werde nach Abneigungen gefragt – keine, ebenso nach Allergien – auch nicht. Aber Appetit auf Genuss hab‘ ich, also kann’s losgehen!

Die Speisen kommen in schneller Abfolge. Ein auch nicht außer Acht zu lassender Punkt für mich. Zu jedem Gang servieren die Kellner – oder vielmehr Betreuer, da sehr kompetent und aufmerksam – mit dem Teller eine kleine Geschichte. Nur drei, vier Sätze. Entweder über die Herkunft des Produkts oder eine Anekdote zur Historie. Kurz genug, um sich sogleich den Gaumenfreuden hingeben zu können. Aber es sind spannende Details, sodass man in gewisser Weise eine Beziehung zu seinem Essen aufbaut. Wer mich kennt, weiß, dass ich mit Fakten rund um Essen und Trinken zu begeistern bin. Das konnte man im el Hans natürlich nicht wissen, hat aber genau ins Schwarze getroffen. Man genießt sein Essen ganz anders, nimmt es aufmerksamer wahr, meinen Sie nicht?

Als Gruß des Hauses bekomme ich hausgemachtes Baguette, österreichisches Brot, Oliven von der Großmutter, eine Ibérico-Krokette. Letzteres fasziniert mich. Die Krokette ist wie eine pikante Praline. Außen knusprig, innen eine cremige Füllung vom Ibérico. Ich soll sie nicht schneiden, sondern als Ganzes genießen. Gesagt, getan. So entfaltet sich der Geschmack optimal. Dazu schenkt Leo Gabriel, Restaurantleiter und passionierter Gästebetreuer, einen Schluck Melgarejo Picual Olivenöl in einem Glas. Er umfasst dieses mit den Handinnenflächen, um den Inhalt leicht anzuwärmen. Ich soll probieren, aber vorsichtig. Nur nippen, denn der Geschmack sei intensiv. Und wirklich, Oliven, aber auch eine Fruchtigkeit von Paradeisern lässt sich ausmachen. Toller Willkommensgruß.

Zum Essen wähle ich Weißwein. Der Gastgeber empfiehlt einen Verdejo, der ist fruchtig und frisch. Zu den Tigergarnelen aus Huelva eine ausgezeichnete Wahl. Umwickelt sind diese von hauchdünnem Bauchfleisch vom Ibérico. Die Garnelen stammen aus der galizischen Rías Bajas, leben dort in Flussarmen, die ins Meer fließen. Sie ernähren sich von Sedimenten und zeichnen sich durch ihr festes Fleisch aus. Mit dem edlen Schweinespeck gehen sie eine wohlschmeckende Liaison ein. Die Romanescosauce, die dazu serviert wird, unterstreicht den Geschmack des Grundprodukts, niemals umgekehrt. Violette Kartoffelchips, etwas Dillöl und Mandel komplettieren die Vorspeise.

Zur Hauptspeise gibt’s Secreto Ibérico-Schwein. Das ist das versteckte Filet, das zwischen Hochrippe und Bauchfleisch liegt. Diese Region vom Schwein ist hauptsächlich fett, aber innen drin versteckt liegt ein zartes Filet. Dazu Rosmarinkartoffel. Die werden aus großen Kartoffeln ausgestochen und sind von der Größe eines gehäuften Teelöffels klein genug, um sie Bissen für Bissen zum Fleisch zu genießen. Violette Kartoffelchips sorgen für eine knusprige Komponente. Das Fleisch ist saftig und mild-nussig im Geschmack. Die Bier-Honig-Sauce an der Seite hebt wie beim vorherigen Gang die puren Noten des Fleisches hervor.

Die Crema Catalana bildet den süßen Abschluss des Menüs. Üblicherweise wird die spanische Dessertcreme mit Maisstärke gebunden, im el Hans nur mit Eigelb. Statt in einem Teller oder einer flachen Schüssel wird sie hier gestürzt und als Gupf auf einem Teller serviert. Angerichtet ist sie auf einem Maracujaspiegel, daneben liegen dekorativ ein paar Beeren. Überzogen mit einer dünnen, karamellisierten Zuckerschicht, steckt seitlich ein Keks in der Crema. Dazu ein Süßwein, der intensive Geschmacksnoten von Schokolade und getrockneten Früchten wie Datteln und Pflaumen vereint, was ein bisschen orientalisch anmutet.

Fazit: Wer in Wien spanisch essen möchte, ist gut beraten im el Hans Halt zu machen. Genuss und das gute Leben werden hier großgeschrieben. Neben spannender Zubereitung und Präsentation werden die Gerichte mit interessanten Fakten serviert. Selbst Kenner dieser Landesküche können sich hier überraschen lassen. Das el Hans ist längst ein Fixpunkt am Wiener Gastrohimmel. Aus gutem Grund.

 

el Hans

Schmelzgasse 9, 1020 Wien

 

Fotos: Michaela Landbauer