Das Wiener Kaffeehaus – Österreichisches Kulturgut oder altmodisch und überholt?

Michaela Reisel

Stefan Zweig beschreibt das Wiener Kaffeehaus in seiner Autobiographie, „Die Welt von Gestern“, so: „Es stellt eine Institution besonderer Art dar, die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist. Es ist eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann. Täglich saßen wir stundenlang, und nichts entging uns.“

Wieviel ist davon geblieben? Zugegeben, es gibt in Wien noch einige charmante und weniger charmante Kaffeehäuser, die auf die Beschreibung von Stefan Zweig passen. Allerdings sind auch die Starbucks- und Coffee-Shop-Company-Filialen nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken, auch der Kaffeebecher, zum Mitnehmen, ist schon lange nicht mehr nur zweckmäßig, sondern auch schon ein Statussymbol geworden. Vielerorts sind die Billardtische verschwunden, dafür hat Wifi Einzug gehalten und die Melange gibt es auch mit Soja-Milch.

Ende September diese Jahres wurden Gerüchte laut, dass das „Café Griensteidl“ am Michaelerplatz, für eine internationale Einzelhandelskette weichen soll. Ein Kaffeehaus, das auf eine ruhmreiche Tradition zurück blicken kann und illustre Persönlichkeiten wie Arnold Schönberg, Karl Kraus oder Viktor Adler zu seinen Gästen zählen durfte. Wer nicht täglich in dieser Altwiener Institution verkehrte, für den war es schockierend zu erfahren, dass man überhaupt an eine Schließung denkt. Jedoch wurden in letzter Zeit immer mehr Stimmen laut, dass das Kaffeehaus immer mehr zu einer reinen Touristenattraktion wurde und nicht mehr viel mit seiner Anfangszeit zu tun hatte. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass sich mehr oder weniger genau gegenüber ein Starbucks angesiedelt hat.

Das Wiener Kaffeehaus musste sich im Laufe der Jahre vielen Herausforderungen stellen und auch einige, scheinbar selbstverständliche Dinge, wie den Rauchgenuss, einstellen. In der vergangenen Blütezeit gab es vieles, das heute nicht mehr üblich ist. Man konnte sich private Post ins Kaffeehaus nachschicken lassen, es gab Einweg-Kaffeehauspfeifen für hauseigene Tabakmischungen die gequalmt wurden und manchmal auch dafür gesorgt haben, dass der Apfelstrudel nach Aschenbecher geschmeckt hat. Es gehörte dazu, genau wie der Ober im Smoking.

In der Stallburggasse befindet sich, wie eh und je, das „Café Bräunerhof“. DAS Café, das die Gemüter spaltet. Die Einen lieben es, die Andern hassen es. Manche Menschen finden die abgewetzten Bänke und die leicht nikotin-gefärbten Wände eher ungemütlich, doch viele etliche Gäste kommen genau wegen diesem Charme. Auf den Speisekarten steht ein Zitat von Thomas Bernhard, aus „Wittgensteins Neffe“, das die Ambivalenz sehr deutlich macht: „….Andererseits fühlte ich mich jahrzehntelang gerade im Bräunerhof, das immer ganz gegen mich gewesen ist, wie zu Hause…“. Hier kann es schon mal passieren, dass der Kellner etwas ruppiger, als gewöhnt, die Bestellung entgegennimmt, oder dass der deutsche Tourist darauf aufmerksam gemacht wird, dass es  keine „Tasse Kaffee“ im „Bräunerhof“ gäbe. Allerdings ist das ganze schon auch eine Image-Sache, denn schließlich wurde vor Ort immer schon damit kokettiert.

Und dann kamen Sie, die internationalen Ketten., vorne weg der Kaffee-Gigant aus Seattle „Starbucks“. „Coffe to go“ war bald in aller Munde und auch etablierte Kaffeehäuser unterwarfen sich dem Zeitgeist. Viele Tassen wurden gegen Pappbecher eingetauscht. Bagels und Donuts ersetzten Wurstsemmel und Kipferl. Das Tablet ersetzte die Tageszeitung. Wozu noch in ein Kaffeehaus gehen, wenn man den Kaffee auch im Gehen schlürfen kann?

Und wie so oft in diesem Land, wurde viel diskutiert, man hat sich empört und hatte Angst vor „dem Neuen“. Und dann kehrte plötzlich wieder Ruhe ein, die Kaffeehäuser erfreuten sich immer noch guter Ergebnisse und die Ketten genauso.  Interessanterweise war Starbucks in letzter Zeit, durch den Verkauf der Länderrechte, sogar mit Schließungen konfrontiert. Bis dato bleibt es eine friedliche Koexistenz ohne gröbere Zwischenfälle.

Die Frage, ob es das Wiener Kaffeehaus überhaupt noch braucht, lässt sich ganz leicht beantworten: Ja! Denn nicht umsonst wurde das Wiener Kaffeehaus 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt, auch wenn manche Kaffeehäuser dadurch eher museal, wie das Café Havelka, geführt oder gänzlich zum Heimatmuseum degradiert werden.

Das Wiener Kaffeehaus ist ein Teil unserer Tradition, unserer Identität. Manchmal sind die Bräuche und Gepflogenheiten für Außenstehende vielleicht seltsam und schrullig, doch sie sind aus unserer kleinen, Wiener Welt nicht wegzudenken, genauso wenig wie der Stephansdom, die Hofburg oder der Würstelstand. Altmodisch? Vielleicht.  Aber niemals überholt.

 

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