Wirtshaus vs. Gasthaus

Michaela Reisel

Wir erinnern uns noch, ob nun mit Wehmut oder nicht, an das Wirtshaus, das „Beisl am Eck“ oder den „Kirchenwirt“ im Dorf. Sind es Erinnerungen an eine aussterbende „Gattung“?

Betrat man Ende der 1970er oder Anfang der 1980er Jahre eines dieser „Institutionen“, so fühlte man sich oft wie bei einem Amtsbesuch und nur selten wie ein Gast. Ja, es gab auch Wirtshäuser auf die man gerne zurück blickt. Wirtshäuser in denen man für kleines Geld beispielsweise eine Wurstsemmel für sich, oder auch ein paar Zigaretten einzeln für den Vater, kaufen konnte. Der Wirt war aber immer eine Respektsperson, deren Autorität niemand in Frage gestellt hätte. Und dann gab es noch was anders. Es gab Fremdenzimmer.

Der Begriff Fremdenzimmer wurde in 1950er Jahren geprägt, als besonders durch die Vertriebenen aus den Ostgebieten die Wohnungsnot groß war. Zimmer die vormals für Sommerfrische und den Wochenendausflug reserviert waren, wurden nun Menschen zur Verfügung gestellt, die ein Dach über dem Kopf zum Überleben brauchten. Der Begriff etablierte sich, bis er zum gebräuchlichen Terminus wurde, der sich auch heute noch in zahlreichen Gegenden hartnäckig hält. Um 1960 galt es in Privatquartieren mancher Gegenden als fortschrittlich, „Zimmer mit Fließwasser“ oder gar „mit Warmwasser“ anbieten zu können.

Als so mancher junger Mensch den Weg aus dem Westen Österreichs nach Wien auf sich nahm, um zu studieren, erlebte er ein anderes Phänomen. Als Pinguin verkleidete Menschen, die Unfreundlichkeit mit einer Selbstverständlichkeit an den Tag legten, dass es einem buchstäblich die Rede verschlug. „Der Wiener“ war stolz auf seine grantigen Kellner!

Erst in den letzten 15 Jahren geht der Trend vom Wirtshaus zum Gasthaus und vom Fremdenzimmer zum Gästezimmer. Man besinnt sich auf alte Prinzipien, das allerdings in neuem Gewand. Schließlich war Österreich zur Kaiserzeit ein Vielvölkerstaat, in dem es die Sommerfrische gab und diese Weltoffenheit ist es, die die heimischen Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe nun wieder in den Vordergrund rücken wollen. Diese Entwicklung hat lange gebraucht, aber mittlerweile hat die neue Gastlichkeit definitiv Fuß gefasst.

Fremdenzimmer – Ein Begriff der mittlerweile einen negativen Beigeschmack hat, wo man doch in diesen Zeiten darauf setzen sollte, dass sich die Menschen, die Österreich besuchen, wie zu Hause fühlen. Letztendlich bleibt der Gastronomie-Branche auch gar nichts anderes übrig um bei all den Mitbewerbern, im In- und Ausland, konkurrenzfähig zu bleiben. Die große Kunst besteht und bestand immer darin, den Mittelweg zwischen dem Unbekannten und dem Vertrauten zu finden. Ein Balance-Akt, der den Unterschied Fremdenzimmer und Gästezimmer ausmacht.

Besonders interessant ist, dass diese Entwicklung vollkommen konträr zu den, derzeitigen, viel diskutierten, Ansichten der Zivilbevölkerung ist. Während man in der Gastronomie versucht Schranken und Mauern „einzureißen“, wird anderen Ortes nach Zäunen und Grenzen gerufen.

Andere Kulturen etablieren sich immer als Erstes durch Kulinarik. Es lässt auch vermuten, dass die „neue“ Gastfreundlichkeit letztendlich durch andere, fremde Kulturen Einzug gehalten hat. Der berühmte Grappa oder Ouzo „auf’s Haus“, die Kostproben an den Naschmarkt-Ständen oder das Knabbergebäck zum After-Work-Cocktail sind „fremde“ Bräuche die schon längst etabliert sind und uns oftmals gar nicht mehr bewusst werden.

Schockierend ist, wie langsam diese Entwicklung innerhalb der letzten 15 Jahre vor sich ging, wie diese Trendumkehr aus einem „Aufbruchslüftchen“ der 1980er Jahre entstand. Allmählich rückt der Gast wieder in den Vordergrund und das ist gut so, denn Österreich war immer ein gastfreundliches und multi-kulturelles Land. Ein Land das viele Menschen gerne bereist und besucht haben, ein Land, das Weltoffenheit und Internationalität genauso verkörpert wie Traditionen.

Letztendlich ist jeder Trend ein kleines Abenteuer, da man nie weiß, wohin die Reise geht, aber spannend ist es allemal.

 

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