Völkerverständigung, die schmeckt

Andrea Wieger

Gerade in diesen nationspaltenden Tagen ist dies wohl ein kleines Zeichen in Richtung „Und am Ende wird alles gut…“, das auch wegen dem aussagekräftigen Namen momentan ein Stadtgespräch ist: das vor zwei Wochen eröffnete Lokal „Habibi & Hawara“. „Habibi“ ist ein arabischer Name und ist der Bedeutung des typisch österreichischen „Hawara“, nämlich Freund, gleichzusetzen. Schön.

Das Besondere am Habibi & Hawara ist sein Personal. Gekocht wird nicht für, sondern von Flüchtlingen, oder besser gesagt Geflüchteten. Das Restaurant beschäftigt Menschen aus Österreich und Menschen aus verschiedenen anderen Ländern, die eines gemeinsam haben: die Erlaubnis zu bleiben. „Man ist entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems.“ so die Gründer. Man hat sich also für Ersteres entschieden. Doppelt schön! In der Wipplinger Straße, hinter der Börse, wird somit seit Anfang Mai schmackhafte Fusionsküche (orientalisch – österreichisch) serviert, die aus sorgfältig ausgewählten Produkten be- und entsteht.

Doch erstmal kurz zur Vorgeschichte: Im Sommer letzten Jahres rief die Stadflucht Bergmühle („Verein für Kochen und Muße“ im niederösterreichischen Grünen) die Aktion „Hosten statt posten“ ins Leben. Vereinsmitglieder organisierten hierfür entspannte Stunden in der Natur in Form eines gemeinsamen Mittagessens für Flüchtlinge. Bei einem Mal blieb es nicht, innerhalb von mehreren Wochen und Monaten lernten immer mehr Stadflucht Bergmühle-Anhänger immer mehr Gäste aus Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan und dem Irak kennen. Und bekanntlich kommen beim Reden (und beim Essen!) ja die Leut´ zam. In vielen Gesprächen erkannte man unter anderem, dass viele der Geflüchteten wirklich gut ausgebildet sind und in ihrem Heimatland in diversen Bereichen richtig erfolgreich waren. Und trotz der höchst schwierigen Umstände will nahezu jede oder jeder von ihnen möglichst schnell wieder seiner bisherigen Beschäftigung nachgehen. Dass dies als Bittsteller in einem fremden Land alles andere als einfach ist, ist den meisten von ihnen und den meisten von uns auch bewusst. In kleinen aber immer fixer werdenden Schritten wurde so die Idee geboren, Flüchtlingen im Rahmen eines neuen Gastronomie-Projekts eine Starthilfe in ein neues, zweites Leben zu geben. Anfangs noch unter operativer österreichischer Leitung soll das Restaurant nach dem erfolgreichem Start nach und nach den talentiertesten Mitarbeitern mit Migrationshintergrund übergeben werden.

Das Lokal soll also eine Mischung aus Wiener Schmäh und arabischer Gastfreundschaft, aus österreichischer Kulinarik und orientalischer Küche sein. Aus der Taufe gehoben wurde es von Unternehmer, Nachhaltigkeitsfan und zugleich Biobauer Martin Rohla, dem Gastronom David Kreytenberg und der PR-Expertin Katharina Schinkinger. Finanziert wird das Projekt über Rohla´s Beratungsunternehmen Goodshares GmbH, sowie von privaten Unterstützern und der EU-Finanzierungsagentur European Angel Fund.

Die Küchencrew wurde in David Kreytenbergs Lokal „Die Liebe“ ausgebildet,  Küchenchef ist der Tiroler Michael Winkler, der schon bei Plachutta und im Grünspan gekocht hat. Die Servicecrew durfte beim charityfreundlichen Bernd Schlacher im Motto am Fluss lernen. Bislang besteht das gesamte Team aus ungefähr 20% Österreichern und 80% Geflüchteten. Wie etwa Hiba, die studierte Archäologin, die aus Damaskus stammt und ausschließlich vegan kocht. Oder Suri, der in Damaskus schon viele Clubbings veranstaltet hat und im Four Seasons tätig war. Oder Ahad, der kleine Turbo des Hauses – ein quirliger Spitzenkoch aus Aleppo. Sie alle sind dankbar, endlich wieder den Boden unter ihren Füßen zu spüren, der ihnen vor ihrer Flucht einfach weggerissen wurde.

Das ehemalige Gasthaus Fadinger wurde modernisiert. Kräftige Farben wie rot und orange treffen auf himmelblau. Orientalische Lampen und Teppiche verbinden sich mit knalligen Neonröhren, im großen Gastraum fangen zwei „Schmuckstücke“ die Blicke der Gäste, nämlich die verglaste Decke zum Innenhof und das riesige Bild, welches das Alpenland mit einer Wüstenstadt verschmelzen lässt. Wow!

Interessant ist, dass es im Habibi & Hawara keine richtige Speisekarte gibt. Mittags hat man zwar schon die Wahl aus mehreren Vor-, Haupt- und Nachspeisen, die man sich nach Belieben als Menü bestellen kann. Abends jedoch, ja da gibt’s die ganz große Überraschung: Ganz im Sinne der arabischen Gastfreundschaft wird den Gästen ein fixes, saisonal abhängiges, viergängiges Menü ohne persönliche Wahlmöglichkeit auf mehreren eingedeckten Platten serviert. Je nachdem, was gerade in der Küche vorhanden ist und ganz easy, ohne permanentem Tellerwechsel. Nice! Für unentschlossene Menschen wie mich herrlich entspannend! Ungefähr 30 Prozent der aufgetischten Speisen basieren auf heimischen Rezepten, der Rest fällt unter den Überbegriff „orientalisch“. Und auch wenn vor allem Syrer am Küchenwerk sind, soll es nicht als rein syrisches Lokal angesehen werden. Das kulinarische Angebot umfasst auch afghanische und afrikanische Gerichte. Hier eine kleine Auswahl, damit schon mal der Mund wässrig wird: Lamm oder gegrilltes Hendl mit Sauergemüse im Fladenbrot, frittierte Teigtaschen mit Fleischfüllung, Baba Ganoush (rauchige Melanzanipampe), Hummus, Spinat mit Minze und Knoblauch, Tabouleh, gegrillter Karfiol, Fleischbällchen mit Joghurt, Linsensuppe, Falafel, Aniskekse mit Vorarlberger Käse, ein „K&K Gulasch“ (das entweder original oder orientalisch auf den Teller kommt – auf meinem waren Okraschoten) und als Nachspeisen gibt’s bisher Baklava (das extrem süße arabische Blätterteigdessert) oder den angeblich besten Kaiserschmarrn der Welt, der immer persönlich vom Chefe zubereitet wird. Ob´s der beste der Welt ist … schwer zu sagen, doch verdammt gut schmeckt er in der Tat.

Das Gemüse wird von der Stadtflucht Bergmühle und regionalen Biobauern bezogen, Fische von Ali Quester, Wildfleisch stammt von Martin Rohlas Jagd.

Kann man eigentlich noch irgend etwas besser machen in diesem Haus? Nun ja, geplant ist noch einiges, ob´s die Weinkarte, der Schanigarten oder der „Dinner & Dance“-Dienstag ist, der quasi die Fortsetzung (in etwas verkleinerter Form) des legendären „Discofever-Dienstags“ in der Babenberger Passage sein soll. 70er, 80er und Modernes wird dann nämlich  vom „Original-DJ“ Florian Plattner gespielt, der auch die Jahre zuvor schon die tanzwütigen Massen unterirdisch zum Beben gebracht hat. Wir sind gespannt!

Mein Fazit:

Für den flexiblen, weltoffenen Menschenfreund ist das ein grandioses Lokal! Natürlich ist bei Küche und Service noch nicht alles perfekt, doch Menschenfreunde sind ohnehin auch verständnisvoll.

 

Habibi & Hawara

Wipplinger Straße 29

1010 Wien

www.habibi.at

Geöffnet: Montag bis Samstag 11-15Uhr & 18-24Uhr