Simon Xie Hong: „Meine Schwäche ist…“

Wien (Culinarius)Wiener Erfolgsgeschichten. Simon Xie Hong im Interview

Kantonesische Gerichte, modernisierte Wenzhou‐Kost, südchinesisch-­spanische Snacks und würzig-­scharfe Sichuan-­Speisen. So vielfältig kann die chinesische Küche sein -­ und so vielfältig ist auch Simon Xie Hong, der ausgezeichnete „Silent Cook“ aus dem ORF. Mit seinen vier Restaurants „ON“, „ON-­Market“, „Chinabar“ und „Chinabar an der Wien“ möchte der gelernte TCM-Arzt beweisen, dass die chinesische Küche weitaus mehr zu bieten hat, als wir Europäer zu glauben meinen.

Seit fast 30 Jahren lebt der gebürtige Chinese Simon Xie Hong nun schon in Österreich und versucht seit 2002 den Wienern die facettenreiche Küche seiner Heimat näher zu bringen. Dabei ist er stets auf der Suche nach neuen Geschmäckern und Aromen, entwickelt sich weiter und bleibt seiner Linie dennoch treu. Seine Küche ist anders, als man es kennt: „No Glückskekse, no Kitsch, no Pflaumenwein, no Drachendeko, no Running Sushi -­ dafür umso mehr ON“, so begrüßt uns die Seite von Hongs ersten Restaurant „ON“. Was hinter diesem Intro steckt, welche Schwächen Simon Hong hat und warum Kochen keine Worte braucht erklärt der erfolgreiche Gastronom im Interview mit Gastronews Wien.

Gastronews Wien: „Sie haben ursprünglich Medizin studiert, wie kamen Sie dazu, vom TCM-­Arzt zum Koch zu werden?“
Hong: „Ich habe zwar Medizin gelernt, aber von Kind an war das Kochen meine Leidenschaft.“

„Wo haben Sie das Kochen gelernt?“
Hong: „Größtenteils habe ich es mir selbst beigebracht, wobei ich auch ein paar Kochkurse belegte während ich als Mediziner tätig war. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch nicht die Intention, das beruflich zu machen. Es war nur ein Hobby.“

„Wann kam der Gedanke auf, dass Sie Ihr Hobby zum Beruf machen wollen?“
Hong: „Ziemlich spät, im Jahr 2000. Als selbstständiger Gastronom dachte ich mir, dass ich nicht nur Anforderungen an die Küche stellen möchte, sondern sie auch selbst erfüllen muss. Sonst können gewisse Ideen nicht so umgesetzt werden, wie ich sie mir vorstelle.“

„1988 zogen Sie nach Österreich und eröffneten 2002 Ihr erstes Restaurant ‚ON’ in Wien Josefstadt -­ hatten Sie Zweifel, hierzulande in der Gastronomie Fuß fassen zu können?“
Hong: „Zu dieser Zeit selbstverständlich. Denn das ‚ON’ in Josefstadt war ein sehr eigenwilliges Konzept, ein kleines Restaurant mit 24 Sitzplätzen und einer offenen Küche. Mit diesem Projekt wollte ich  versuchen,  dem  Chinalokal-­Klischee zu entkommen. Statt der typischen Industrieküche war meine eine private. Mein Konzept war neu für Wien und darin lag meine Chance.“

„Welcher Herausforderung stand das ‚ON’ also anfangs gegenüber?“
Hong: „Nun ja, die Chinaküche wird leider nicht immer positiv bewertet. Man weiß, dass es eine großartige Küche ist, nur wird in Europa meist ein ganz anderes Bild präsentiert. Wie also konnte mein kleines Lokal zum Umdenken bewegen? Das war anfangs nicht leicht.“

„Was unterscheidet Ihre Restaurants von anderen chinesischen Lokalen in Wien?“
Hong: „Es ist so, dass das ‚ON’ ursprünglich geplant war als ‚NO’. ‚NO’ war damals meine Betriebsphilosophie: ich wollte nicht das machen, was andere schon machen. Bei der Eröffnung habe ich den Namen aber dann umgedreht, weil ‚NO’ klang dann doch etwas zu hart. Aber in ‚ON’ steckt immer noch das ‚NO’ drinnen, bloß rückwärts. Wie weit sich meine Lokale tatsächlich von anderen unterscheiden, müssen dann die Gäste beurteilen.“

„Also NO zum Mainstream sozusagen?“
Hong: „Richtig, genau.“

„Sie besitzen momentan vier Restaurants, in welchem stehen Sie in der Küche?“
Hong: „Kreieren tue ich für alle. Aber da ein Restaurant zu führen nicht nur Kochen allein ist, muss ich meine physische Anwesenheit in der Küche reduzieren. Andere Sachen dürfen nicht vernachlässigt werden.“

„Wie beschreiben Sie Ihre Art zu kochen?“
Hong: „Geradlinig und authentisch in dem Sinne, dass sie nicht im Ursprung erstarrt, sondern Spielraum zur Weiterentwicklung gibt. Denn Geschmäcker verändern sich mit der Zeit, auch mein Gaumen ist heute ein anderer als noch vor 20 Jahren. Zum Beispiel konnte ich mit dem trockenen, österreichischen Wein nichts anfangen als ich her kam, weil ich das aus China nicht gewohnt war. Deshalb trank ich Ribiselwein, was ich rückblickend als meine Jugendsünde betrachte. Heute kann ich dieses Aroma nicht mehr riechen.“

„Also konnten Sie sich mittlerweile an den Weingeschmack hierzulande gewöhnen?“
Hong: „Richtig. Und genau deshalb muss sich auch die chinesische Küche weiterentwickeln. Aus dieser Überzeugung heraus habe ich etwas kreiert, was ich selber gern esse und was auch mir schmeckt. Zu meinem Glück traf das auf viel Zuspruch.“

„Haben Sie auch eine Schwäche?“
Hong: „Ja durchaus: Ich mag keine Süßigkeiten. Ich kann Desserts zwar bewerten, ob sie gut gemacht sind oder ob sie weniger gut gemacht sind, aber meine Leidenschaft gilt nicht den Süßigkeiten. Für mich ist Kochen eine sehr emotionale Sache und wenn ich meine Liebe und Leidenschaft nicht spüren kann, dann fällt es mir schwer, ein Dessert zu kreieren.“

„Ich habe von Ihrem Vorhaben gelesen, im On-­Market einen Club im unteren Stockwerk zu eröffnen – was ist aus dieser Idee geworden?“
Hong: „Die Idee dazu besteht noch, aber momentan sehe ich keine Dringlichkeit, diese umzusetzen. Vielleicht wird es auch gar keinen Club geben, sondern etwas Anderes. Die Räumlichkeiten laufen mir nicht weg, deshalb mache ich mir momentan keine wirklichen Gedanken darüber.“

„Was können die Wiener von der chinesischen Esskultur lernen?“
Hong: „Ich glaube, dass der kulturelle Austausch in jeder Hinsicht – auch die Genusskultur – immer eine Bereicherung sein kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich entscheiden durfte, in einem ganz anderen kulturellen Kreis zu leben und zu arbeiten. Und ich bin dankbar, dass diese Kultur auch ein Teil von mir geworden ist. Das empfinde ich als ein Privileg.“

„Vermissen Sie Ihre Heimat nicht?“
Hong: „Naja, Wien ist zu meiner Heimat geworden. Manchmal vermisse ich aber das Meer und dessen Geruch und die zahlreichen Zutaten, die man dort bekommt. Denn auch ich komme ursprünglich aus einer Stadt am Meer.“

„Letztes Jahr übernahmen Sie das Horvath im 5. Bezirk und betreiben es nun unter dem Namen ‚Chinabar an der Wien’. Was war Ihnen bei der Eröffnung wichtig?“
Hong:  „Das Konzept steht für Veredelung von China Streetfood. Mir  war  es wichtig,  dass  die  Chinabar  an  einem  öffentlichen  Platz  in  U-­Bahn  Nähe entsteht, mit einem schönen, großen Schanigarten. Da das Wetter nun wärmer wird, überlege ich ab Mitte Mai dort auch chinesisches Frühstück anzubieten. Rein Chinesisch.“

„Was ist rein chinesisches Frühstück?“
Hong: „Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Im Süden isst man gerne Reissuppe und im Norden eher Nudelsuppe. Ich würde beides anbieten. Das Entscheidende ist, dass das Frühstück warm ist. Da ich Medizin studiert habe, steht der Gesundheitsgedanke natürlich auch ein wenig hinter meinen Gerichten. Aber ich möchte die Genusskultur keinesfalls vom Gesundheitswahn bestimmen lassen. Denn in erster Linie ist es ein Genuss, der dem Körper gut tun soll. Das chinesische Frühstück ist leicht verdaulich und überfordert den Magen nicht. Es ist die wichtigste Mahlzeit am Tag.“

„Was machen Sie, um sich zu entspannen?“
Hong: „Kochen. Trotz vier Lokalen koche ich fast täglich eine Mahlzeit für mich.“

„Sollen in Zukunft noch weitere Restaurants folgen?“
Hong: „Wenn eine Location mich so anreizen würde, könnte ich nichts ausschließen.“

„Man kennt Sie auch aus der ORF-­Show „Silent Cooking“ – warum braucht Kochen keine Worte?“
Hong: „Weil Köche keine Animateure sein müssen, das Kochen steht im Vordergrund.“

 

Fotocredit: ON Market