Belegter Teig à la Napoli – alles andere als kitschig

Andrea Wieger

Rustikales Ambiente, karierte Tischdecken und Eros Ramazzotti aus den Boxen – hin und wieder auch mal nett, wenn einem der Gusto nach Italien packt.  Das Ende Februar neu eröffnete »Kitch« in der Wiener Innenstadt hat damit allerdings nichts gemein. Bereits beim Betreten des offen und luftig gestalteten Gastraums, der 90 Personen Platz bietet, fällt auf: hier ist alles anders. Beim Ambiente hat man sich ins Zeug gelegt, in Sachen Pizzakreationen ebenfalls. Geht diese neapolitanische Rechnung auf?

Das Interieur erinnert eher an ein hippes, urbanes New Yorker Restaurant: weiß gestrichene Ziegelwände, schwarz-weißes Holzmobiliar, Chesterfield-Lederbänke, Lampen im kühlen Industriedesign, bewusst sichtbare Rohre an der Decke und großflächige Kunst an den Wänden – darunter auch ein echter Nitsch – und aus den Lautsprechern tönt chillige Musik anstatt italienische Schlagerklänge. Perfekt durchgestylt also.

Doch nun zum Kernelement des neuen Lokals, den Pizzen. Hierbei lässt das richtige, authentische Napoli grüßen, denn Pizzameister ist der aus Kampanien stammende Carmine Chilento, der in den vergangenen Jahren bereits in so mancher Szene-Pizzeria anzutreffen war und seitdem eine große Fangemeinde in Wien hat. Sein Handwerk versteht er offensichtlich richtig gut, immerhin hat er einen Abschluss als Meister-Pizzabäcker in der Tasche.

Neben einer kleinen Auswahl an Vorspeisen und täglich wechselnden Pasta-Gerichten spielt eben Pizza die Hauptrolle. Diese wird sowohl in klassischen als auch in innovativen Varianten angeboten. Auffällig ist die vergleichsweise große Auswahl an „Bianche“-Pizzen, die „weiß“, also ohne Tomatensauce zubereitet werden und stattdessen beispielsweise mit Artischockencreme (Pizza Pulpo) bestrichen werden. Die Teige (auf Wunsch auch glutenfrei) sind in der Mitte schön dünn und am Rand flaumig dick – genau so, wie es sein soll. Hierzulande eher selten (auf Pizzen) anzutreffende Zutaten wie Rinderrohwurst, Oktopus oder Räucherlachs ergänzen die Klassikerfraktion à la San Daniele Schinken, Büffelmozzarella und Rucola. Obwohl der Pizzaiolo normalerweise eher unflexibel ist was Änderungen seiner Pizzabelagskompositionen ist, durfte ich meine Pizza halbe-halbe bestellen. Zwei Varianten die ich somit wirklich empfehlen kann: die „Quattro Formaggi“ (mit unglaublich cremigem Käse aber nicht zu intensivem Gorgonzola!) sowie die „La Salmone“: als stete Fisch-auf-der-Pizza-Skeptikerin war ich nämlich doch überrascht von der Kombination aus Räucherlachs und salzigen Zitronen auf dünnem Pizzateig – top!

Preislich hat man sich eher an der Nachbarschaft im ersten Bezirk als an der italienischen Konkurrenz orientiert. Die Durchschnittspizzen liegen zwischen 12,50 und 14 Euro, ausgefallenere Kreationen dürfen dann schon mal 17 Euro oder mehr kosten. Na bumm.

Das Servicepersonal ist sehr bemüht und auch hip, logisch. Das Kitch ist zudem nur der erste Streich. Gleich nebenan soll Ende März ein weiteres Restaurant der „Kitch“-Macher und an beiden Locations in den Kellerräumlichkeiten ein Club eröffnet werden. Dinner oben, Feiern unten – soweit die Pläne, die in der Wiener Innenstadt durchwegs gut ankommen könnten.

Mein Fazit:

Neu erfunden wurde die Pizza im Kitch natürlich nicht. Aber: Sie schmeckt großartig.

Wenn man auf hip-modernes Ambiente steht, ist das neue Restaurant auf jeden Fall einen Besuch wert. Wer hier Platz nimmt, sollte aber bitte nicht die übliche Pizza Margherita bestellen, sondern ein bisschen mehr Mut mitbringen. Die Klassiker bekommt man schließlich auch in der bisherigen Lieblingspizzeria. Und zwar ohne den „Szene-Italiener-Innenstadt“-Aufpreis.

 

Kitch

Biberstraße 8

1010 Wien

Tel. 01/ 512 05 51 11

www.kitch.at

Geöffnet:  Montag bis Samstag 11.30-14.30 und 17.30-23.00